U.v. Beckerath
2.
Juni 1943
Ihr
Brief vom 31.5.43.
Lieber Herr Rittershausen,
Sie meinen, ich "uebersaehe zu sehr die Beschraenkung des
Wettbewerbes am Goldmarkt."
Ich bin mir dessen nicht bewusst, moechte Sie aber auf
folgendes aufmerksam machen, was wahrscheinlich Ihrer Aufmerksamkeit
(nicht nur Ihrer) entgangen ist.
Wenn
ein Monopolist ein Gut anbietet, es ist aber niemand auf dieses Gut angewiesen,
so ist der Monopolist so gestellt, als wenn er der allerschaerfsten Konkurrenz
ausgesetzt waere. Der Monopolist muss mit dem Preise seines Monopolgutes so
weit heruntergehen, dass die nicht auf das Gut Angewiesenen doch einen Vorteil
dabei finden, ihm das Gut abzunehmen. In der Praxis wird das bedeuten, dass der
Monopolist fuer das Gut die Selbstkosten plus einen maessigen Gewinn fordern
wird.
In dem Augenblick, wo der Anspruch der Glaeubiger, metallisches
Gold zu einem bestimmten Termin zu erhalten, beseitigt ist, ist niemand mehr
auf Gold angewiesen, und es kommt fuer die Nachfrage nach Gold nur die
Industrie fuer ihren Bedarf an Schmuckwaren, Goldzaehnen, Schmelztiegeln,
Glasfarbstoffen u. dgl. in Frage. Dieser Bedarf ist sehr elastisch. Wenn er ein
Jahr lang unbefriedigt bleibt, so kann sich die Industrie mit Ersatz helfen und
zwar ohne Schwierigkeit.
Alle Gruende, die aus der Monopolstellung der USA hergeleitet
werden, sind also hinfaellig.
Die Frage entsteht, welche Menge Gold am Markt sein
muss, damit ueberhaupt ein oekonomisch sinnvoller Goldpreis zustande kommt. Die
Erfahrungen der Inflationszeit, wo z.B. lange Zeit der Preis der Pforzheimer
und der Hanauer Goldindustrie massgebend war, zeigen, dass die Menge sehr
gering sein kann. Ich vermute, dass wenn ein Tausendstel oder weniger der
jaehrlich produzierten Menge am Markt ist, dies zum gleichen Preise fuehren
wuerde, als wenn die ganze, jaehrlich produzierte Menge am Markt waere.
Wenn meine Vermutung richtig ist, dann genuegt der Anteil der USA
am Besitz und an der laufenden Produktion von Gold keineswegs um ihr ein
Monopol zu verschaffen, so dass auch aus diesem Grunde alle Einwendungen,
welche die Monopolstellung der USA zum Fundament haben, hinfaellig sind.
Es kommt noch ein wesentlicher Umstand hinzu.
Wenn Gold zum Waehrungsgut gemacht wird, dann hat Gold
ueberhaupt keinen Preis in dem Sinne, wie Weizen, Eisen und Baumwolle einen
Preis haben. Gold hat dann auch keinen Monopolpreis in dem Sinne, wie
z.B. zur Zeit Quecksilber einen Monopolpreis hat oder
jedenfalls noch vor ein paar Jahren gehabt hat.
Wenn
Deutschland etwa Gold zum Waehrungsgut machen werde, so heisst das weiter
nichts, als dass Schulden an Deutschland oder an Deutsche mit Gold bezahlt
werden koennen. Anzunehmen, dass es fuer die Besitzer von Gold nie
vorteilhaft sein werde, solche Zahlungen zu leisten, wuerde aller oekonomischen
Erfahrung widersprechen, besonders bei einem Artikel wie Gold, von dem laufend
so viel produziert wird. Wenn Deutschland Gold zum Waehrungsgut machte (neben
Silber in der Art, wie zwischen uns besprochen, also nicht Doppelwaehrung,
sondern Parallelwaehrung) laesst aber die Einklagung von "Leerverkaeufen
von Gold" (und Silber) nicht zu, denn wuerde den USA ihre Vormachtstellung
in Bezug auf das Gold gegenueber Deutschland nichts nutzen, nicht einmal den
Marktwert des Goldes in Deutschland koennten die USA beeinflussen. Dazu gehoeren noch sehr viel groessere Vorroete, als die USA sie
besitzen. (Dass die Beeinflussung moeglich waere, wenn Gold so leicht zu haben
waere wie maerkischer Sand, bestreite ich nicht.)
Auf
den sonstigen Inhalt Ihres Briefes hoffe ich noch eingehen zu koennen.
Mit
bestem Gruss
Ihr
gez.
U.v. Beckerath.
----------------
First published in: Ulrich von
Beckerath: Zur Freiheit, zum Frieden und zur Gerechtigkeit; Gesammelte Briefe,
Papiere, Notizen, Besprechungen. PEACE PLANS 437 (Mikrofiche), Berrima,
Australia, 1983. Page 1122.